„Digital Other“

Mit der Literaturwissenschaftlerin und Philosophin Katja Kauer sprach ich für den Channel „Digitale Bildkulturen“ über ihren Begriff „Digital Other“. Gemeint ist damit das Phänomen, dass Menschen, die viele Selfies machen oder die ihren Alltag in den Sozialen Medien oft zum Bild werden lassen, ihre eigene Bildhaftigkeit – den Blick von anderen auf ihre Person – verinnerlichen und entsprechend immer schon versuchen, sich möglichst so zu präsentieren, dass sie dem Bild entsprechen, von dem sie glauben, dass es jene anderen von ihnen haben. Hier ist das Video anzuschauen – und hier noch eine kurze Inhaltsangabe des Gesprächs:

Kauer beobachtet das ‚Digital Other‘ als neue Instanz der Verhaltensreflexion und -regulierung gerade auch in der zeitgenössischen Literatur – ein Beispiel im Gespräch ist eine Passage aus dem Roman „Allegro Pastell“ (2020) von Leif Randt. Das Gespräch widmet sich dann der Frage, ob das ‚Digital Other‘ eine Ausweitung der Art von Fremdbestimmung darstellt, die in der feministischen Theorie unter dem Begriff des ‚male gaze‘ – des von Frauen internalisierten Blicks von Männern auf sie – verhandelt wird.

Ferner sprechen wir über verschiedene Deutungsmöglich-keiten des ‚Digital Other‘ und ordnen es in historische Diskurse (z.B. den über ‚Anmut‘ im 18. Jhdt.) ein. Gegen Ende kommen wir auf den Internettheoretiker Rob Horning zu sprechen, der 2022 in einem Text beschrieb, wie eine große Sammlung von Polaroids aus den 1980er Jahren auf ihn wirkte. Damals hätten sich die Fotografierten noch nicht vorstellen können, dass sie allgemein sichtbar würden. Ihre Bildhaftigkeit sei ihnen noch nicht bewusst gewesen, damit würden sie arglos und unschuldig wirken, der Mangel an Bewusstsein ihrer selbst habe ihnen noch eine gewisse Aura verliehen, die, so könnte man folgern, durch das ‚Digital Other‘ verloren geht.

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