Für die Ausstellung „Tempel der Umkehrung“ der chilenisch-peruanischen Künstlerin Ivana de Vivanco, die gerade bei 68projects in Berlin stattfindet, habe ich einen Text geschrieben, der hier zu lesen ist (oben die englische Übersetzung, unten das deutsche Original).
Seit zehn Jahren arbeitet der Konzeptkünstler Ingo Gerken an seiner Serie ‚Bibliosculptures’. Dazu nimmt er Kunstbücher, ergänzt darin reproduzierte Werke um alltägliche Objekte und fotografiert die so entstehenden Ensembles. Charakter und Bedeutung der Ausgangswerke verändern sich dadurch schlagartig – ernste und hermetische Kunst wird lapidar, oft sogar komisch. Nun hat Gerken die ‚Bibliosculptures’ in einem Buch mit dem Titel „Offenes Buch“ versammelt. Darin gibt es auch einen Text von mir – hier zu lesen:
Am 21. April 2022 hielt ich auf Einladung des SFB 1472 („Transformationen des Populären“) der Universität Siegen einen (deutschsprachigen) Vortrag mit dem Titel „Art goes Pop“. Darin erläutere ich anhand einer Reihe von Beispielen, dass und inwiefern die bildende Kunst, in der lange Zeit ein Monopol hochkultureller Praktiken herrschte, in den letzten Jahren verstärkt von popkulturellen Praktiken erfasst und entsprechend stark transformiert wurde. Damit greife ich zugleich einige Beobachtungen auf, die ich in meinem Buch „Die Kunst nach dem Ende ihrer Autonomie“ diskutiere.
Für ZEIT-online habe ich aus Anlass einiger Eigenheiten der Documenta-Debatte einen Essay geschrieben. Dabei interessiert mich insbesondere, was es heißt, dass Kunst für viele zwar nach wie vor (oder gar mehr denn je) kritisch und emanzipatorisch sein soll, anders als in der westlichen Moderne aber gerade nicht mehr maximale Freiheit das Ziel ist. Der Leitbegriff ist nun vielmehr ‚Gerechtigkeit’, oft verstanden im Sinne von Gleichberechtigung. Das bedeutet aber nicht nur, manche individuelle Freiheit zu überdenken, sondern verlangt auch, sich vermehrt in der Wahrnehmung kausaler Zusammenhänge zu schulen. Denn je knapper Ressourcen werden, je schädlicher einzelne Praktiken für heutige oder künftige Generationen sind, je stärker auch sozial bedingte Einschränkungen, unter denen viele Menschen leiden, präsent werden, desto mehr hängt davon ab, dass man die Konsequenzen des eigenen Handelns einschätzen und einen reflektierten Begriff von Verantwortung entwickeln kann. Die Kunst könnte künftig also im selben Maß, in dem sie lange als Vorbild für Freiheit und Individualismus fungiert hat, ein Vorbild für Transparenz und Rücksichtnahme sein. – Hier der vollständige Text:
Hubert Becker baut Fotografien oder Gemälde in Form aufwendiger 3D-Modelle nach, um diese dann abzufotografieren. Im Lauf von mehr als zwei Jahrzehnten hat er so einen individuellen Kanon der Werke geschaffen, die ihm besonders viel bedeuten, von Walker Evans (siehe Abb.) bis Luigi Ghirri, von Giorgio de Chirico bis Matthias Weischer. Die so entstehenden Bilder nach Bildern sind diesen sehr ähnlich, haben aber dennoch einen anderen Charakter. Sie wirken eingefroren oder künstlich. In jedem Fall wird man dazu verleitet, ein Becker-Foto analytisch zu betrachten, kleine Lücken oder Risse im perfekten Schein zu suchen. Man will kapieren, wie das Bild entstanden ist, gerade wenn es sich um ein Motiv handelt, dessen Vorbild man kennt. Dass Beckers Fotos ihre Machart aber nie ganz offenbaren, sondern bezogen auf sich selbst ausnehmend diskret sind, zeichnet sie aus. – Für den Katalog zu einer Ausstellung Beckers in der Kölner Galerie M29 habe ich einen Text geschrieben – hier zu lesen:
Auf der Biennale „düsseldorf photo+“ hielt ich am 31. Mai 2022 einen Vortrag darüber, welche Folgen Charakter und Funktionen von Bildern im digitalen Raum für die Fotokunst haben. Inwiefern ist es eine Gefahr für diese, dass Bilder in den Sozialen Medien adressiert, vereinnahmend, auf Reaktion angelegt sind? Und wie kann man mit spezifisch künstlerischen Methoden wichtige Gegenakzente setzen und der Fotokunst damit zu umso größerer Legitimation verhelfen? – Der nochmals nachproduzierte und etwas gekürzte Vortrag ist auf dem YouTube-Channel von „Digitale Bildkulturen“ hier anzuschauen.
Ergänzend zum Vortrag gibt es ein Gespräch, das Andy Scholz mit mir für seinen Podcast „Fotografie neu denken“ aufgenommen hat – zu hören hier!
Thematisch verwandt ist zudem ein Beitrag, den ich für das Programmheft der „düsseldorf photo+“ schrieb. Der Text mit dem Titel „Der zweite Klick“ ist hier abrufbar:
Für die Ausstellung „Karin Kneffel – im Augenblick“ im Max Ernst Museum Brühl habe ich einen Katalogbeitrag geschrieben. Unter dem Titel „Ontologisches Neuland“ widme ich mich darin vor allem Karin Kneffels Auseinandersetzung mit der Klassischen Moderne:
„Dank der vielfältigen Brechungen und Überlagerungen und wegen der dadurch entstehenden Verfremdungen erscheinen die [durchwegs der Kunstgeschichte der Klassischen Moderne entstammenden] Räume, Skulpturen und Gemälde auf Karin Kneffels Bildern wie verhext oder verzaubert. Es ist, als würde es in ihnen spuken. Dass es oft dunkel ist, dann aber plötzlich irgendwo ein Licht auftaucht, verstärkt diesen Eindruck, ebenso wie jede Unklarheit darüber, ob eine Figur ein Mensch oder eine Skulptur ist, ob sich etwas vor oder hinter einer Glasscheibe abspielt, ob es sich bei einem Phänomen um eine Spiegelung oder eine Projektion handelt oder von was für einer Lichtquelle ein Schatten herrührt. Eine derart verwunschen-unheimliche Atmosphäre kennt man sonst vor allem aus Erzählungen und Filmen von alten Schlössern, in denen Untote oder Geister ihr Unwesen treiben. – Ist die Moderne also ein Spuk? Sind ihre Orte gar nicht nüchtern, nicht die oft propagierten White Cubes, sondern im Gegenteil Räume voll unerlöster Objekte und Beziehungen? […] Zumindest entsteht auf Kneffels Gemälden ein ganz anderes Bild der Moderne, als deren Protagonisten es selbst vermittelt hatten. Und den berühmt gewordenen Satz des Kurators Roger M. Buergel, wonach „die Moderne unsere Antike“ sei, mit dem er die von ihm verantwortete documenta 12 im Jahr 2007 erläuterte, hört man auf einmal mit einem düsteren Unterton. Ist die Moderne vielleicht nicht deshalb nach wie vor so präsent in vielen zeitgenössischen Œuvres, weil sie als das strahlende Vorbild, als geradezu allgemeingültiger, unüberholbarer Maßstab fungiert, sondern weil sie zum Wiedergänger mutiert ist und sich als solcher in vielfältigster Gestalt in die Werke heutiger Künstler und Künstlerinnen einschleicht, ja zur Obsession geworden ist?“
Am 25. Mai diskutierte ich mit dem Philosophen Harry Lehmann im Haus am Lützowplatz (Berlin) über mein Buch „Die Kunst nach dem Ende ihrer Autonomie“. Dabei konzentrierten wir uns auf die Frage, ob man von einem Paradigmenwechsel – einer Ablösung des Autonomie-Ideals durch nicht-autonome Formen von Kunst – überhaupt sprechen kann. Nicht nur hier gelangten wir zu unterschiedlichen Einschätzungen, vor allem stritten wir auch darüber, wie postautonome Formen von Kunst gegenüber autonomen Formen zu bewerten sind. – Das von Marc Wellmann moderierte Gespräch ist nun als Video online und hier anzuschauen!
In der St. Matthäus-Kirche in Berlin findet gerade eine Reihe von Kanzelreden statt – aus Anlass des 500. Jahrestags des Wittenberger Bilderstreits. Es geht darum, welche Bildwerke auch heute einen Streit auslösen können, mit welchen man vielleicht sogar selbst „in einen inneren Bilderstreit“ gerät. Ich sprach in meiner Kanzelrede am 1. Mai über „Little Cloud“, eines der erfolgreichsten ‚Art Toys‘ der Künstlergruppe FriendsWithYou. Dieser Figur gelingt es wie auch anderen ‚Art Toys‘, dass Besitzer:innen ein enges, emotionales Verhältnis dazu entwickeln; sie nimmt für sie die Rolle eines Talismans, Maskottchens oder Begleiters durch den Alltag ein. Oft werden ‚Art Toys‘ in der Tradition animistischer Objekte gesehen. Damit aber steht der Umgang mit ihnen in starkem Kontrast dazu, wie vor allem die Kunst des Westens rezipiert wurde und wird. Ihr begegnet man analog zu einem monotheistischen Gott als etwas, dem man unterlegen ist, das Demut und Hingabe verlangt und oft unzugänglich bleibt – gerade dann nicht tröstet, wenn man es am dringendsten nötig hätte.
Zwischen der Kunstreligion und einen Animismus entsteht aktuell also vielleicht ein ähnlicher (Bilder)streit wie vor 500 Jahren zwischen Katholizismus und Protestantismus? Davon handelt meine Kanzelrede, in der ich damit auch ein paar Thesen zuspitze, die in einem Buch „Die Kunst nach dem Ende ihrer Autonomie“ in breiteren Zusammenhängen verhandelt werden.
Der in Kiel lebende Künstler Nils Pooker hat das Cover meines Buches in Quadrate übersetzt und daraus ein Gemälde gemacht – mehr zu seinem Konzept und seinen Werkformen hier!